Geheimdiplomat Bundeskanzler

Im Sommer 1988 - ein Jahr vor dem Zusammenbruch der DDR - reiste Bundeskanzler Helmut Kohl zu einem dreitägigen Besuch nach Gotha, Erfurt, Weimar und Dresden. Dieser kaum bekannte Kurztrip war ein ungewöhnlicher Deal, der bei Honeckers Besuch 1987 in Bonn vereinbart worden war. Als Honecker einwilligte, stellte Kohl drei Bedingungen: Die Presse sollte nichts erfahren, Begegnungen mit DDR-Offiziellen sollten ihm erspart bleiben, und er wollte nicht von der Staatssicherheit belagert werden.

Beim Grenzübertritt waren die DDR-Grenzer zwar vorbereitet, aber mehr wusste niemand: Die Staatssicherheit hatte kaum Informationen darüber, was Kohl vorhatte.

Um Kohls Sicherheit offiziell zu garantieren, hatte man ihm Honeckers Leibwächter zur Seite gestellt. Kohls Berater Wolfgang Bergsdorf erinnert sich, wie Kohl in der DDR durch die Fußgängerzonen flanierte. Es kam dort zu Momenten wie in einer Fernsehsendung mit versteckter Kamera: Kohl gab Autogramme und nahm Ausreiseanträge entgegen. Da die rund 1000 Mitarbeiter der Staatssicherheit den Befehl hatten, alles zu unterlassen, was Kohls Stimmung trüben könnte, mussten sie zuschauen. Während die als Touristen getarnten DDR-Geheimdienstler vergeblich auf den Kanzler warteten, ließ er sich mit DDR-Bürgern fotografieren.

Die Stasi-Protokolle zeichnen ein Bild der potemkinschen Wirklichkeit der DDR-Herrschaft: Kohl müsse sich den Menschen aufdrängen, hieß es dort. Da die Menschen Kohl kaum wahrgenommen hätten, sei die Reise für ihn eine große Enttäuschung gewesen, freute sich Honecker.

Die Dokumentation beleuchtet die unbekannte Reise Kohls mit ihren absurden Momenten und zeigt den Zustand der DDR kurz vor der Selbstauflösung. Sein langjähriger Chauffeur Eckehard Seeber erzählt, wie der Kanzler im Stile eines Geheimdiplomaten die Gunst der Stunde nutzte und die Stasi genüsslich an der Nase herumführte.