Signes

Es ist eine alte und schmerzhafte Geschichte, dass gehörlose Menschen um das Recht auf Bildung kämpfen müssen. Im Zentrum dieses Streits steht die Frage, wie Bildung für Gehörlose vermittelt werden soll.

Laurent Clerc erlebte dies am eigenen Leib. Nach einem Unfall in seiner Kindheit verlor er sein Gehör und die Fähigkeit zu sprechen. Als einziges gehörloses Mitglied einer hörenden Familie wuchs er auf dem Land auf, zufrieden, aber ohne Zugang zu Bildung. Erst im Alter von zwölf Jahren, als ein Familienmitglied ihn in die Pariser Taubstummenschule brachte, änderte sich sein Leben grundlegend – und damit das Leben vieler Generationen gehörloser Menschen. Zwar litt er an Heimweh und musste sich dem strengen Regime der kirchlichen Leitung der Schule unterwerfen, doch wurde er in Gebärdensprache unterrichtet und konnte rasch grosse Fortschritte machen. Nachdem er die schriftliche französische Sprache und die französische Gebärdensprache perfektioniert hatte, wurde er selbst Lehrer für gehörlose Kinder. Er soll ein herausragender Schüler gewesen sein.

Im Jahr 1816 traf er auf Thomas Hopkins Gallaudet, einen amerikanischen Pädagogen, der nach Europa gereist war, um Methoden der Bildung für Gehörlose zu erforschen. Laurent Clerc beeindruckte Gallaudet tief mit seinem Engagement und seiner Fähigkeit, Gebärdensprache zu lehren. Clerc war seinerseits fasziniert von der Vision, gemeinsam eine Schule für Gehörlose zu gründen. Zwischen den beiden entwickelte sich schnell eine enge Freundschaft.

Schliesslich willigte Laurent Clerc ein, mit Thomas Gallaudet per Schiff nach Amerika zu reisen, obwohl er Frankreich noch nie zuvor verlassen hatte. Die lange Überfahrt auf der «Mary Augusta» nutzten sie intensiv, um voneinander zu lernen. Thomas Gallaudet erlernte die französische Gebärdensprache, während Laurent Clerc seine Englischkenntnisse verbesserte.

Kaum in Amerika angekommen, begannen sie mit der Sensibilisierung der Öffentlichkeit, was 1817 zur Gründung der ersten Schule für Gehörlose in den USA führte, der «American School for the Deaf». Laurent Clerc brachte seine Kenntnisse und Erfahrungen in der französischen Gebärdensprache ein und passte sie an die amerikanischen Verhältnisse an. Dies legte den Grundstein für die Entstehung der American Sign Language (ASL).

Die Geschichte der Freundschaft dieser beiden Visionäre, die ihr Leben der Bildung gehörloser Menschen widmeten, ist eine Erfolgsgeschichte, deren Vorbildcharakter bis heute anhält.

Natasha Ruf reist an den Geburtsort von Laurent Clerc, nach La Balme-les-Grottes, und begibt sich auf die Spuren dieses bemerkenswerten Pioniers.