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Di, 07.08.2018
TV | Lerchen am Faden
Liebe auf dem Schrottplatz4 Sterne
Hier hat Jiri Menzel erneut bewiesen, dass er einer der ganz großen Regisseure ist – unter den tschechischen Kollegen ohnehin der größte. Eine subtile Politsatire, die natürlich sofort verboten und erst 22 Jahre später durch den Goldenen Bären rehabilitiert wurde, Allein schon das Ambiente vertieft die Symbolik des Films: auf einem Schrottplatz verarbeiten politische Häftlinge die metallenen Überreste der Bourgeoisie: vom Kruzifix bis zur Schreibmaschine. Lange Kamerafahrten zeigen marode Industrieanlagen. Alles ist verrostet, Schrott eben. Um eine bunt gemischte Brigade herum entwickelt sich ein bissiges Soziogramm vom untergehenden Sozialismus. Die Insassen (Staatsanwalt oder Saxophonist) sollen umerzogen werden Banal aufgehübschte, gestellte Fotos der Aparatschiks treffen ebenso den Kern der Realität wie der Erfindungsreichtum der Menschen, die sich ihre Sympathie bekunden. (ein Taschenspiegel als Blinkzeichen im Sonnenlicht oder das Berühren der Finger über einer offenen Feuerstelle). Zwei sonderbare Hochzeiten bilden die Brennpunkte der elliptischen Handlung: anfangs heiratet der Wärter Andel (Jaroslav Satoransky), der in seiner neuen Wohnung die Errungenschaften des Sozialismus präsentiert: elektrischer Strom, Gas und WC. Dessen Frau aber lieber auf dem Kleiderschrank schläft. Er ist das Urbild des angepassten Spießers. Eine echte Romanze zwischen Pavel (Vaclav Neckar) und Jitka (Jitka Zelenohorska) wird durch eine Ferntrauung ‘eingesegnet‘, weil beide Insassen sind. Dialogmäßig geht’s um den jüdischen oder den christlichen Einfluss auf das Abendland. Während die Männer am Bretterzaun durch die Ritzen spannen, wird die Frage, ob Iran oder Irak der Schurkenstaat ist, geklärt. Bitterböse Ironie reiht sich ein neben schrullige Auswüchse einer untergegangenen Gesellschaftsordnung und das immer ganz nah an der Wirklichkeit.
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Mi, 27.06.2018
Kino | Stranger than Paradise
Sehr seltsam3 Sterne
Ein Arthouse Special von Jim Jarmusch, das er in drei Kapitel einteilt:1. Die neue Welt, 2. Ein Jahr später und 3. Das Paradies. Der offene Schluss ergeht sich in Andeutungen, die Anlass zu Interpretationen bieten. Sind die drei Personen endlich im Paradies (Florida) angekommen? Vielleicht jeder in seinem eigenen?! Obwohl niemand einen Plan hat. Cousine Eva (Eszter Bálint) kommt gerade aus Budapest nach Amerika, der schönen ‘Neuen Welt‘ und wohnt bei Cousin Willie (John Lurie). Beide mögen sich nicht. Es herrscht Eiszeit, Gleichgültigkeit und Langeweile. Willie und sein Freund Eddie (Richard Edson) besuchen spontan Eva bei Tante Lotte in Cleveland. Das Wetter passt zur Handlung: Schnee, Wind und Nebel. Im dritten Teil fahren alle drei nach Florida ins Paradies. Sie haben Pech und dann Glück beim Rennen. Eva bekommt irrtümlicherweise Geld von einem Dealer. Am Ende sind alle drei allein. Genau weiß man das nicht so genau, wo Eva und Willie abgeblieben sind. Der Titel verrät uns: es ist seltsamer als das Paradies. Viel seltsamer. Macht das den Kult aus? Oder ist es die stringente Story, die distanzierte emotionslose Kamera? Das kalte s/w oder das Dolce Farniente von Losern, die sich ohne Ziel durchs Leben schlagen. Für mich sind es die Stilmittel, die bleiben.
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Di, 26.06.2018
Kino | Down by Law
Drei Freunde5 Sterne
Der schwer verständliche Titel ist aber auch das Einzige, was man an diesem Film von Jim Jarmusch auszusetzen haben könnte. Klar gegliedert in drei Akte und mit einem märchenhaften Schluss beginnt es zunächst atmosphärisch düster im Gangstermilieu. Wir sehen wie Zack (Tom Waits, auch Songs) nach Problemen mit seiner Freundin – starker Auftritt von Ellen Barkin - unschuldig im Gefängnis landet, wo er mit Jack (John Lurie, auch Musik) eine Zelle teilen muss. Es kommt zu Hahnenkämpfen. Bis der sprachlich unermüdliche Roberto (Benigni) hinzukommt (2.Teil), der zwar nur wenige Brocken Englisch spricht, aber dafür mit einem herrlichen italienischen Akzent, was allein schon die Hälfte der Kultmiete ausmacht. Klar, dass er Zack mit Jack verwechselt und seine Berufsbezeichnung ‘cheater‘ (Falschspieler) eher wie ‘shitter‘ klingt. Dafür kennt er im Gegensatz zu seinen Zellengenossen Walt Whitman und dessen wichtiges Werk, das in Amerika mal jedes Kind kannte und singt sinngemäß ‘screama screama iceecreama‘. Der dritte Teil ist die Flucht der sympathischen Ganoven wider Willen durch die Everglades. Sie landen in einem einsamen Gasthaus, wo Roberto seine große Liebe Nicoletta Braschi (seine Frau fürs Leben in echt) findet. Sprachliche Raffinesse – jeder versuchte 1986 so italienisches Englisch wie Roberto zu sprechen (z.B. ‘It’s verrry diffikuult tuu cätsch a räbbitah!) und für an sich harte Jungs das Erfahren von menschlicher Wärme durch einen Sprachclown machen den Film zum Sympathieträger unter den Kultfilmen. Für mich der beste Jim Jarmusch. Unheimlich witzig, warmherzig, märchenhaft. Und von Robby Müller in s/w veredelt.
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So, 24.06.2018
Kino | Der Schlachter
Verletzte Seelen4 Sterne
Zwei vom Leben verletzte Seelen begegnen sich in einem Dorf im Périgord. Der Schlachter Popaul (Jean Yanne), der in der französischen Armee in Übersee viel Blut und Elend gesehen hat und Hélène (Stéphane Audran) die seit der Enttäuschung ihrer großen Liebe nie wieder verletzt werden will und den Männern entsagt. Sie ist die Lehrerin des Dorfes. Regisseur Claude Chabrol (in den 70er Jahren fast zwei Filme pro Jahr) schrieb hier auch das Drehbuch. Genialer Aufbau. Nach einer bürgerlichen Hochzeit, auf der sie sich kennen gelernt haben, verdeutlichen drei wichtige Dialoge ihr Verhältnis: erst ein Gespräch im Wald beim Pilze sammeln. Hier bekommt Popaul von Hélène ein Feuerzeug zum Geburtstag. Er fragt nach ihrem Liebhaber, den es nicht gibt. Gerüchte von einem Mord machen die Runde. Polizei zeigt Präsenz. Sie findet sein Feuerzeug bei einer weiteren Mädchenleiche, verrät aber nichts. Sie weint nur, als er ihr Feuer gibt. Die Kamera versucht ihr inneres Leiden darzustellen, ihre innere Zerrissenheit. Die Braut vom Anfang des Films ist das nächste Opfer. Begräbnis in strömendem Regen. Dritter Dialog findet im Klassenzimmer statt. Popaul weiß, dass Hélène inzwischen weiß und geht mit einem langen Messer auf sie zu. Die Überraschung des Films! Die Kamera, die ohnehin nur dahin geschaut hat, wo Popaul hinschaut: Kopf oder Popo geht auf ihn zu und weicht wieder zurück. Später folgt noch ein Kuss vor dem Tode. Viele reden von einem Meisterwerk, in dem ein Geschenk (Feuerzeug) die Aufklärung bringt. Die Morde selbst sieht man nicht. Nur die subtilen Dialoge geben Hinweise auf die Vergangenheit von Hélène und Jean. Die entsetzlichen Taten stehen in krassem Gegensatz zu der Dorfidylle. Gekonnt gemacht.
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Sa, 23.06.2018
Kino | Brazil
B statt T4 Sterne
Das ist der tiefgründigste Film von Terry Gilliam, der immer noch nichts an Bedeutung verloren hat. Dabei kann er seine Herkunft von den Monty Pythons nicht verleugnen. Der Film erschreckt, und schockiert durch Grausamkeit und unterhält durch heillosen teils makabren Klamauk, der voller skurriler Szenen ist. Ausgehend von einem totalen Überwachungsstaat wird durch die Verwechslung eines Anfangsbuchstabens (Buttle und Tuttle) der falsche gejagt. Der mit dem T im Namen (Robert DeNiro) ist wirklich Terrorist, ein unbescholtener Familienvater kommt so versehentlich ums Leben. Sam Lowry (Jonathan Pryce) der im Informationsministerium arbeitet, soll die Sache aufklären und begegnet Jill (Kim Greist). Er wird sie den ganzen Film lang suchen, sie wieder finden und wieder verlieren. Er erlebt dabei witzige Abenteuer wie die Stützung eines pinkelnden Alten (Peter Vaughan) oder wenn Heizungsbauer Tuttle der Konkurrenz (Bob Hoskins) Abwässer aus der Kloake in die Schutzanzüge pumpt. Und immer wieder entflieht Sam dieser schrecklichen Welt und fliegt davon. (Ein Engel in schimmernder Rüstung!) Hier trifft er auch Jill wieder, die er eigentlich aus dem Register eliminiert hatte. Sam wird durch die abstruse Fantasiewelt des Terry Gilliam getrieben, wo es z.B. Liliputaner und fette, glatzköpfige Babyfratzen gibt. Sam muss mit einem Götzen in einem Samurai Kostüm kämpfen. Eine kalte Welt, in der man niemandem trauen kann. Sein Freund und Kollege Jack (Michael Palin) wird ihm nach dem Leben trachten, falls die Gehirnwäsche nichts bringt, doch Edelterrorist Tuttle ballert ihm den Weg frei. Die Szenen erinnern stark an Videospiele. Bevor es zum wuchtigen Finale mit vielen Explosionen kommt, sehen wir noch unvergessliche Szenen wie die Schönheits-OP von Sams Mutter mit Jim Broadbent oder wie Tuttle von haftenden Zeitungen im Sturm erstickt und beseitigt wird. Zwei überraschende Einfälle hat Gilliam noch: die eventuell wieder auferstandene Mutter, die ihre eigene Beerdigung feiert (sie ähnelt mal kurz Jill) und die finale Flucht von Sam und Jill in eine grüne Landschaft, die es real nicht gibt… Atemberaubend anstrengend, zeitlos aktuell. Food for Thought!
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Mi, 20.06.2018
Kino | Die Wendeltreppe
Helens Stimme4 Sterne
Robert Siodmak hat diesen s/w Klassiker unter den Thrillern nach Plot und Machart so perfekt gestaltet, dass er nicht nur immer noch den berühmten Gänsehaut-Effekt hat, sondern er kann auch als Vorlage für mögliche Epigonen gelten. Hinzu kommt ein Touch von Film Noir. In jeder Einstellung wechseln Schattenspiele an den Wänden und verstärken wunderbar den Gruseleffekt. Auch der Titel, der mehrfach zum Einsatz kommt, wird zur Spannungssteigerung eingesetzt. Es beginnt mit einem Film im Film, den das stumme Dienstmädchen Helen (Dorothy McGuire) im Kintop sieht. Hier geschieht aus dramaturgischen Gründen ein Mord. Im Haus von Professor Warren (George Brent) leben ein paar Figuren, die alle für den nächsten Mord in Frage kommen. Das Opfer ist die schöne Sekretärin Blanche (Rhonda Fleming), hinter der alle Männer des Hauses her sind. Warrens bettlägerige Mutter (Ethel Barrymore) wird von Helen gepflegt. Das Personal des Hauses sorgt in guter, alter Shakespeare Manier für Komik. Hier ist es neben der korpulenten Krankenschwester Bertha (Sara Allgood) vor allem die Köchin Mrs Oates (Elsa Lanchester) sowie ihr Mann (Rhys Williams) der Helen schützen will, ebenso sie Dr. Parry (Kent Smith). Einer nach dem anderen verlässt wegen Besorgungen das Haus, bis Helen mit dem Professor allein ist. Den verdächtigen Stiefbruder hat sie eingeschlossen. Sie will Hilfe am Telefon holen. Doch sie hat durch einen Schock ihre Stimme verloren. In den Keller geht es eine Wendeltreppe hinab. Und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als es Gasbeleuchtung gab, nahm man da eine Kerze mit. Draußen tobt der Sturm, jemand steht hinter einem Vorhang, man sieht seine Schuhe und seinen Blick durch ein Loch. Der Donner rollt. Selbst als sich der Mörder outet, gibt es noch eine Riesenüberraschung von der bettlägerigen Mrs Warren. Auf ihren Nachttisch lag immer schon ein Revolver. Für die Romanze Helen Dr. Parry ist leider keine Zeit mehr. Nur ihre Stimme findet sie wieder. Hochspannung voller Emotionen. Ein Meisterwerk von 1945!

Neueste Bewertungen

Di, 09.07.2024 von frge

TV | Rentnercops
Gut gemacht5 Sterne

Gut gemacht. Die Alten Serien sind noch besser als die neueren. Gute Schauspieler.

Sa, 08.06.2024 von rüdiger.baehrens

TV | Ein starkes Team
Ein Leben nach dem Tod0 Sterne

Toll, daß in der Liste der Darsteller auch Maja Maranow 2024 aufgeführt wird, die ja 2016 leider ... mehr

Mi, 14.02.2024 von amd2064

TV | Lost In Translation
Lost in Translation5 Sterne

Schöner Film ! Regt zum nachdenken an ! Sind sicher einige in gleicher Lage

So, 06.08.2023 von WoWie

TV | Die Lausitz von oben
Lausitz von oben0 Sterne

Wer sich für die Lausitz von oben im wahrsten Sinne des Wortes interessiert, findet hier absolut ...

Di, 31.01.2023 von DanielAK

TV | Law & Order: Special Victims Unit
Tolle Geschichten, grossartige Schauspieler5 Sterne

Die Geschichten sind toll erzählt, berührend, glaubhaft, spannend, emotional. Die Schauspieler ... mehr

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